Chronik Warum veganer Aktivismus?
„Ich war ungefähr seit meinem dritten Lebensjahr Vegetarierin. Als meine Mutter damals meinen Adoptivvater kennen lernte, wir immer mehr Zeit auf dem Bauernhof seiner Eltern verbrachten und später dorthin zogen, verbrachte ich viel Zeit bei den Bauernhoftieren, unseren Milchkühen, Muttersauen, Mastferkeln und den Hühnern, ich fühlte mich fremd und fand Trost in den Ställen, der Hofhund wurde mein bester Freund. Sehr bald erlebte ich die erste Hofschlachtung, ein Event an dem die ganze Familie beteiligt war.
Das Schwein wurde aus dem Stall getrieben, sah zum ersten Mal Tageslicht, war aufgeregt, neugierig... und wurde Minuten später mit einem Bolzenschuss betäubt und anschließend getötet. Ich werde diesen Moment nie vergessen.
Ich stand in der Haustür mit Blick in den Innenhof, wo sich die Szene abspielte.
Die Familie reagierte verständnisvoll auf meine emotionale Reaktion, ein Stadtkind wie ich es war, muss sich eben erst an die Realität auf dem Hof gewöhnen. Von diesem Tag an war ich Vegetarierin. Ich liebte und liebe das Leben auf dem Bauernhof, meine schönsten Kindheitserinnerungen erzählen von Kartoffelfeuer, Heuernte und dem Hof als Abenteuerspielplatz - doch an die (Aus-)Nutzung von Tieren habe ich mich nie gewöhnt.
Bis ich den Bogen zum Veganismus geschlagen habe, sind trotzdem Jahrzehnte vergangen, Jahrzehnte in denen ich, ganz direkt, Tierleid gefördert habe – bis zum Juni 2013. Ich bekam mein zweites Kind und stillte voll, doch meine Tochter reagierte mit starken Hautproblemen, ich probierte alles um den Zustand zu verbessern, bis ich von einer Bekannten den Tipp bekam, komplett auf tierische Proteine, in meinem Fall also Milch(produkte) und Eier zu verzichten – ich wurde vegan und meine Tochter hatte nie wieder Probleme mit ihrer Haut – die geborene Veganerin also 😉 Mit dem vegan-werden war es, als würde sich eine Tür öffnen und das ganze Elend der Tierindustrie überschwemmte mich, sofort war klar, ich möchte mich zukünftig für die Rechte von Tieren einsetzen und andere Menschen über das Unrecht aufklären, dass wir den Tieren antun.
Ich wurde Tierrechtsaktivistin, hatte schnell eigene, gerettete, Hühner und las mich in alle möglichen Themenbereiche ein die mir in Gesprächen begegnen könnten, um Antworten geben und gute Aufklärungsarbeit leisten zu können.
"Ich habe früher sehr viele tierische Produkte konsumiert, für mich gehörte vor allem Fleisch selbstverständlich zu einer hochwertigen und gesunden Ernährung, Veganer habe ich damals eher belächelt. Begonnen hat mein Umdenken mit Konsumkritik, ich begann meinen allgemeinen Konsum zu hinterfragen, was und wie kaufe und nutze ich und wieviel wird unnötig produziert...?! Ich wurde immer bewusster und durch meine Beziehung mit Anna, mit der ich seit 2015 zusammenlebe und die ja bereits vegan war, spannte ich schnell den Bogen: Tierische Produkte sind genau das, im Überfluss produzierte, unnötige Konsumgüter - und für die zahlt jemand mit seinem Leben. Natürlich lebe ich seitdem vegan.
Das ich einmal Aufklärungsarbeit in diesem Bereich leisten würde, hatte ich trotzdem nie geplant, doch es kam, wie so oft im Leben, ganz anders als gedacht… "
Frisch verheiratet, mit zwei Kindern an der Hand und einem im Bauch, beschlossen wir vom Einfamilienhaus in der Kleinstadt in ein sanierungsbedürftiges Bauernhaus auf dem Land zu ziehen. „Hallo fränkisches Outback, hier kommen die Ritzingers“.
Abenteuer Selfmade-Altbausanierung und damit irgendwie auch das Projekt Lebenshof begann, denn wir wollten die Gelegenheit nutzen, einigen geretteten Tieren ein zuhause zu geben und so unseren, vegan lebenden, Kindern die Gleichwertigkeit allen Lebens als Selbstverständlichkeit im Alltag erlebbar machen. Veganismus nicht als „das darfst du nicht“, sondern als gelebte Realität und Selbstverständlichkeit.
Baustellenchaos überall und inzwischen drei Kinder, kaum richtig in Heuberg angekommen entschieden wir uns spontan, die ersten Hühner aufzunehmen.
Hahn Hugo und seine Mädels Henriette, Hilde, Helga und Heidi sind Austellungshühner, die der Züchter aussortieren wollte, nun zogen sie stattdessen zu uns. Von der süßen Hühnergruppe lebt nur noch Oma Hilde, sie ist in zwischen neun Jahre alt.
Wir blätterten in der Tageszeitung und lasen von einem Osterlamm, Hofschlachtung wurde angeboten. Wir riefen an und erfuhren, dass wir das Lamm auch lebend bekommen können. Wir fuhren hin, um es zu holen und kamen mit zwei Schafen zurück, das Lamm und seine Mutter.
In der Folge sprachen zum ersten Mal konkret über die Rettung weiterer Tiere und wie wir unsere ethische Überzeugung im Alltag in gelebtem Aktivismus umsetzen können.
Der Beginn der Lebenshofidee? Erst nur eine Spinnerei...
Die Hoffamilie war weitergewachsen, zwei Erwachsene, vier Kinder, sechs Schafe, elf Hühner, zwei Hunde, eine Katze, zwei Hängebauchschweine, fünf Kaninchen und zwei Warzenenten lebten inzwischen bei uns. Wir sprachen über Möglichkeiten, die Geschichten unserer Tiere nicht nur unserem nahen Umfeld, sondern auch darüber hinaus näher zu bringen, um Menschen anzuregen, über tierethische Aspekte nachzudenken.
Spontan entschieden wir uns für eine Instagram Präsenz - und weil die ja auch irgendwie heißen muss… „ähm, ja, also Kinder und Tiere, ein wildes, freies Leben auf dem Land, ein bisschen wie in Bullerbü, dem Kinderbuch von Astrid Lindgren, aber vegan halt - geht eigentlich ein ü bei Insta?! Ach komm, lass uns das schwedische Wort nehmen: Vegan.Bullerbyn“ - und schon hatte unser Hof seinen Namen.
Moritz, ein Umweltaktivist, er lebt etwa 100 km von Hof Bullerbyn entfernt, trifft eine Entscheidung:
"Ich wurde vegan, weil ich meinen CO² Fußabdruck so weit wie möglich verringern wollte und vegan leben die beste Ernährungsform in Hinblick auf Klima- und Umweltschutz ist, zu Tieren hatte ich im Grunde keinen Bezug. Als Kind hatte ich mal ein Kaninchen, ich wurde seiner schnell überdrüssig und hab es meiner Schwester überlassen. Erst einige Monate später, in Bullerbyn, habe ich Tiere als Individuen kennengelernt, heute sind sie mir näher als die meisten Menschen."
Unser Hofprojekt war groß geworden, Ponys, weitere Schweine, sooo viele Hühner und Hähne, eine große Schaf- und Ziegenherde, Wachteln, Enten, Kaninchen, ein Pfau…
Wir hatten nun eine Größe erreicht, die uns persönlich und finanziell fordert, weiter wachsen ging so erstmal nicht. Einige Menschen unterstützten uns bereits mit monatlichen Zahlungen für die Tiere, doch das reichte bei weitem nicht - und was ist eigentlich mit der Steuer, Versicherungen, all dem Bürokram? Nicht unsere Stärke.
Aber wir waren uns sicher, mit unserem gelebten Aktivismus, unserer Überzeugung von der Gleichwertigkeit menschlicher und nichtmenschlicher Tiere, unserer Idee vom friedlichen und respektvollen Begegnungsort und unserer Leidenschaft für genau das Leben, das wir hier nun führen, können wir Menschen erreichen. Wir wollen weiter machen!
Der intensive Austausch mit anderen Lebenshöfen begann - und die Suche nach Menschen, die unseren Traum mit uns weiterträumen wollen.
Schnell haben wir ein großartiges Team zusammen…
Peter
Über einen Unterstützer hören wir von Peter, CIO bei einer großen Firma, einer aus der Wirtschaft, ein Zahlenmensch – und doch ein aktivistisches Urgestein. Heute vor allem engagierter veganer Tierrechtsaktivist, seit den 80er Jahren aber bereits für einen Systemwandel, hin zu einem verantwortlichen Umgang mit unserem Planeten, auf der Straße. Genau der richtige Mann für uns, denn wir brauchen jemanden, mit Herzblut UND einem Händchen für Zahlen und Fakten. Wir kamen ins Gespräch und Peter entschied sich kurzerhand, Teil unseres Projektes zu werden.
Sieben Menschen braucht man, um einen Verein zu gründen, diese hatten wir schnell zusammen. Doch um unseren Traum vom eigenen Lebenshof wirklich wahr werden zu lassen, brauchten wir eine richtige Community, nicht nur online, sondern Menschen, die uns und den Hof wirklich kennen.
Wir luden zum ersten veganen Mitbringbrunch, der sofort ein voller Erfolg wurde und seitdem, in den Sommermonaten, regelmäßig alle 6-8 Wochen stattfindet.
Es wurde offiziell. Aus unserem kleinen privaten Lebenshof wurde ein gemeinnütziger Verein.
Svenja, Carina, Fränky, Andreas, Nicole, Peter, Danny und Anna sind die Gründungsmitglieder von VEGAN.BULLERBYN E.V.
Den Vorstand bilden:
Anna Ritzinger, 1. Vorstand
Danny Ritzinger, 2. Vorstand
Peter von Minningerode, 3. Vorstand, Vorstand Finanzen
Im gleichen Monat wurden wir mehrere Tage von einem Sat1-Kamerateam für das Format „wir werden mehr“ begleitet, auch das regionale Fernsehen zeigte Interesse und wir bekamen Besuch vom BR, SWR, Frankenfernsehen und 3sat, sowie von einigen Radiosendern - eine tolle Chance für uns, Menschen einzuladen, ihre eigenen ethischen Grundsätze im Umgang mit Tieren zu überdenken.
Zeitgleich wurde Moritz Teil der Familie und zog auf den Hof.
Bei der Auswertung der der ersten beiden Geschäftsjahre des Vereins (Rumpfjahr und volles Jahr), stellten wir fest, dass wir selbst unsere optimistischen Prognosen übertroffen hatten. Wir haben nun über vierhundert regelmäßige Unterstützer, z.B. Vereinsmitglieder und Paten und bis zu vierzig Hofbesucher pro Woche, Kooperationen mit Kindergärten, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen und eine ständig wachsende Community. Wir möchten nun auch räumlich wachsen, um den Ansturm bewältigen zu können, doch die Möglichkeit, ein angrenzendes Grundstück zu kaufen, zerschlug sich. Unser Hof in Heuberg wird zu klein. Gerade hatten wir entschieden, künftig einen Landwirtschafteil zu integrieren und begonnen, uns dahingehend fortzubilden, um die Qualität unserer Aufklärungsarbeit weiter zu steigern…
Doch was nun?
Umziehen? Ein Wahnsinnsprojekt! Und wohin? Ist das überhaupt finanzierbar, realisierbar?
Eher als Träumerei begannen wir, uns nach Höfen umzusehen…